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#workinonit: Paulinger spricht über Sampling und seine „Graduation_EP“

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Der Münchner Produzent Paulinger hat nicht nur beim diesjährigen #MOT Beats beigesteuert, sondern auch bereits für Edgar Wasser produziert. Im Rahmen seines Studiums in London beschäftigte er sich theoretisch und praktisch mit dem Thema Sampling. Daraus entstand seine „Graduation_EP“. Hier erzählt er, wie sie entstand.

Für meine Bachelorarbeit habe ich die Kunstform des Samplings und die damit verbundenen Techniken mal genauer untersucht. Ich möchte Sampling als eine eigenständige Kunstform vermitteln – vor allem denjenigen, die es pauschal als Diebstahl geistigen Eigentums anderer verurteilen. Es geht mir um die Bedeutung von Sampling in HipHop-Produktionen und welche bedeutende Rolle die aufkommende DJ-Kultur der 1970er Jahre in dieser Entwicklung gespielt hat.

Mich interessiert, welche Rolle Samples in einer Produktion spielen und wie unterschiedlich sie verwendet werden können. Zum Vergleich habe ich mir vier HipHop-Track-Pärchen rausgesucht, die jeweils das gleiche Sample verwenden. Anschließend habe ich selbst vier Tracks mit dem gleichen Sampling-Material produziert, um zu verdeutlichen, dass es schlicht simplifizierend und falsch ist, wenn man Sampling lediglich als eine Form des Kopierens abwertet. Trotz einer vergleichbaren Herangehensweise der einzelnen Künstler lässt ihr jeweiliger individueller Einfluss den Song zu einem einzigartigen und unabhängigen Stück Musik werden.

Um passende Stücke zu finden, begann meine Recherche zunächst im Internet und, man mag es kaum glauben, in Büchern. Dieser Teil der Arbeit beanspruchte bedeutend mehr Zeit als das Komponieren, Produzieren und Mischen meiner Tracks. Ich verbrachte Tage damit, auf einer allen Sample-Enthusiasten sicher geläufigen Website namens whosampled.com jeweils zwei bereits vorhandene HipHop-Produktionen ausfindig zu machen, welche zwar das selbe Sample benutzen, sich in Aufbau und Umsetzung aber doch unterscheiden. Dabei gab es sowohl Situationen, in denen ich nach einem häufig gesampleten Song wie „Funky Drummer“ von James Brown suchte, aber auch Momente, in denen ich eine Produktion wie „Wouldn’t Get Far“ von The Game, die mir besonders gut gefiel, nach der Samplequelle durchstöberte, um herauszufinden, ob der Original-Song auch noch von einem anderen Künstler benutzt wurde. „Wouldn’t Get Far“ wurde dann auch zur Grundlage für den ersten meiner vier Tracks.

PreprogrammedSuccess

The Games „Wouldn’t Get Far“, das übrigens von Kanye West produziert wurde, hat mich schon bei seinem Erscheinen aufgrund der Vocals von Barbara Lewis extrem begeistert und zu einem der Lieder gemacht, bei denen ich sofort wissen wollte, woher das Sample stammt. Hier war es „I’d Find You Anywhere“ von Creative Source. Als ich dann über whosampled.com heraus fand, dass auch Jadakiss und der Produzent Baby Grand den Creative-Source-Song als Element für ihren Track „By Your Side“ benutzt hatten, war klar, dass ich mich mit „I’d Find You Anywhere“ sampletechnisch auseinandersetzen würde. Im Gegensatz zu Baby Grand, der den Jadakiss-Track auf sehr minimalistische Art und Weise produzierte – ein Sample in zwei unterschiedlichen Ausführungen, und das war’s – hat sich Kanye West durch verschiedene Parts des Songs gesamplet. Sampling ist eben nicht gleich Sampling!

Bevor ich selber anfing, Elemente aus einem vorhandenen Musikstück zu entnehmen, hörte ich mir den Song immer und immer wieder einfach nur an, um ein Gefühl für den Sound und den Vibe des jeweiligen Tracks zu bekommen. Im Anschluss kamen dann die gängigen Praktiken, die allen Produzenten mit Affinität zum Sampling bekannt sein dürften: Erstens: Das Audio File in DAW laden. Zweitens: Sample Editor öffnen und damit beginnen, mehr oder weniger zufällig an den Transienten Schnitte vorzunehmen. Eine richtige Herangehensweise gibt es mit Sicherheit nicht: Vom eigenen Gefühl auszugehen, scheint mir grundsätzlich der beste Weg zu sein: „If it sounds good, it’s good!“ Nachdem ich alle Samples geschnitten und auf das Keyboard gelegt hatte, begann dann der tatsächliche kreative Prozess. Man probiert sich durch endlose Sounds und versucht einfach, einen Groove zu kreieren. Weil die meisten Elemente Drum-Sounds, Fills oder Sequenzen aufweisen, versuchte ich, die Samples so aneinanderzureihen, als ob ich mit einem Drum Computer performen würde – das hört man meines Erachtens vor allem beim zweiten Verse sehr gut heraus. Während ich mir die verschiedenen Sample-Strukturen anhörte, fiel mir die überaus präsente Bassline innerhalb der Fragmente besonders auf. Ich entschied mich, kein virtuelles Bass-Plug-in zu benutzen, sondern das Sample in „sample high & sample low“ aufzuteilen. Bei „sample high“ wurden die Tiefen, bei „sample low“ entsprechend die Höhen heraus gefiltert. Zusätzlich zum Filterprozess habe ich ein Boost-Plug-in benutzt, um die Bassline mehr zur Geltung zu bringen. Nachdem ich dann die Drums und Streicher-Sets komponiert hatte, produzierte ich den Part, welcher letztendlich den „Refrain“ des Tracks darstellt und musste überlegen, welche Sampling-Elemente ich dafür hinzufügen könnte.

Mir kamen die fünf unbenutzten Samples vom letzten Konvertierungsvorgang in den Kopf und ich überlegte mir, eine abgehackte Sample-Sequenz als Hook-Element einzubauen. Dazu stimmte ich die fünf Samples zwei Halbtonschritte nach oben, ließ jedoch die Wiedergabe-Modi (Pitch, One Shot, Reverse) in der Sample-Bearbeitungssektion unangetastet. Somit hört man beim Spielen der Tasten auf dem Keyboard nicht die komplette Länge der Sounds wie im One-Shot-Modus, sondern der Sound hört schlagartig auf, wenn die Taste losgelassen wird. Dieser Vorgang kreiert einen staccato-ähnlichen Soundeffekt, den man, wenn man ihn rhythmisch einspielt, gut als eine Art DJing ohne Scratchen definieren kann.

NoCarnival

Bei „NoCarnival“, das Elemente des unter anderem von Run DMC gesampleten Bob-James-Tracks „Take Me To The Mardi Gras“ enthält, wurde mir im Laufe der Produktion schnell klar, dass ich viele kleinere Parts in die zwei Hauptteile des Arrangements einbauen würde, um die Fülle an Sample-Stücken – ich glaube es waren gut 90 Audio-Slices – zu verarbeiten. Das Original von Bob James hat deutlich hörbare Stimmungswechsel. Einmal klingt der Sound locker, fast schon fröhlich, ein anderes Mal wirkt er spannend und elektrisierend. Deshalb habe ich mich im Gegensatz zu den bisher bekannten Künstlern, die dieses Sample in ihren Songs aufgegriffen haben, dazu entschieden, die unterschiedlichen Stimmungen des Tracks zum Vorschein kommen zu lassen und nicht wie gewöhnlich einen speziellen Loop oder ein, zwei vereinzelte One-Shot-Samples zu benutzen, die sich anschließend selbst in der Hook ständig wiederholen.

Der Track ist bis auf den eher locker und smooth daherkommenden zweiten Part relativ hektisch und treibend. Für den ersten Teil hatte ich mir eine imaginäre Jam-Session vorgestellt, in der mehrere Rapper zwischen den kurzen Break-Pausen 16 Bars haben, um ihre Fähigkeiten zu zeigen. Dementsprechend vielfältig sind die einzelnen Parts geworden. Einige Samples habe ich rückwärts laufen lassen und gleichzeitig mit Tremolo-Effekten ausgestattet, perkussive Elemente kamen sowohl im Boombap-, als auch im 808-Gewand zum Einsatz und die Sample-Bassline im zweiten Part wurde wie schon bei „PreprogrammedSuccess“ gefiltert und mit diversen Plug-ins geboostet. Vor allem bei diesem Song habe ich viel Wert auf Kleinigkeiten gelegt und oftmals noch mit der Maus einzelne Ride-, Snare-Roll- und Hi-Hat-Elemente hinzugefügt.

ChopChop

Bei diesem Song lag die Herausforderung darin, tatsächlich mal etwas Neues aus dem von so vielen als „meist gesampleter Drum-Loop“ betitelten 20-Sekunden-Break aus James Browns „Funky Drummer“ zu machen, anstatt ihn, wie die meisten Interpreten, nur kontinuierlich in Schleife laufen zu lassen. Ich habe mich aber nicht nur auf den Drum-Break fokussiert, sondern durch den kompletten Song gehört, um vielleicht das eine oder andere klanglich gut passende Sound-Sample zu finden. Diese Samples habe ich dann in Logic um circa eine Oktave nach oben gepitcht, um sie als Rhythmus- und Melodie-Pusher zu verwenden. Den Drum-Break habe ich in der Maschine gecuttet und dann mittels verschiedener Effekte manipuliert. Anschließend habe ich vier bis fünf unterschiedliche Drum-Patterns programmiert, gebouncet und schließlich in Logic importiert, um sie dann weiterzuverarbeiten. Ich wusste erst nicht, ob ich nicht einen komplett perkussiven Song machen sollte. Als ich mich dann aber durch meine bereits vorhandenen und nicht fertiggestellten Logic-Projekte durchklickte, fiel mir ein Piano-Pattern auf, das ich ein oder zwei Jahre zuvor als Idee komponiert hatte. Nachdem ich die BPM verglichen und die Stimmung gecheckt hatte, entschloss ich mich, das Klavier in den Song mit den „Funky Drummer“-Elementen einzubauen. Und so entstand ein Track, der im wesentlichen drei Parts aufweist: der erste mit der ursprünglichen Klaviermelodie. Der zweite eher cluborientiert – unschwer an dem minimalistisch eingängigen Piano und der 808-Kick zu erkennen. Und der dritte Part, der mit seinen hektischen Sample-Triggers an eine typische Big-Beat-Produktion à la Fatboy Slim erinnert.

HammerFreak

„Super Freak“ von Rick James und „U Can’t Touch This“ von MC Hammer, das in großen Teilen auf Ersterem basiert, sind Partysongs, die man bei wirklich jeder Party zu hören bekommt. Deshalb lag es bei dem „HammerFreak“-Track auch auf der Hand, einen rein cluborientierten Song mit schnellen Hi-Hats, tiefen Bässen, gelayerten Claps und hektischen Synthesizern zu machen. Dafür habe ich im Gegensatz zu den anderen Songs bei den Samples nicht im One-Shot-Sample-Modus, sondern mit dem Amplitude Envelope ADSR (Attack, Decay, Sustain, Release) gearbeitet und das Release „R“ komplett auf null gesetzt. Das führt dazu, dass jeder Sound nur so lange abgespielt wird, wie die Taste auf dem Keyboard gedrückt bleibt. In dem Fall erklingen staccato-ähnliche, abgehackte Sounds, was das Sample sehr elektronisch und damit Dance-Music-kompatibel macht. Wie schon zuvor habe ich auch hier an Parts orientiert gearbeitet, um mehr Sample-Slices in das Arrangement einbauen zu können. Der erste Teil basiert eindeutig auf den Sounds des bekannten Piano-Riffs, wobei Teil 2 dann eher mit Samples des Saxophon-Solos aus dem „Super Freak“-Song aufwartet.

Abschließende Worte gibt’s von meiner Seite nicht – aber dafür ein Zitat, was ich an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:

„If they say that sampling and how the imitation is a serious form of flattery. Let’s take James Brown for instance. James Brown was finished. James Brown was old. Rap and Sampling made James Brown new again.“

Will Smith

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