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BTNG – Der Schattenbruder der Boatengs im Gespräch

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So ein bisschen kam BTNG aus dem nichts. Doch auch der älteste Bruder der Fußballstars Jerome und Kevin-Prince Boateng hat eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Jonathan Nixdorff hat mit ihm über seine Ambitionen als Rapper gesprochen.

Ein Thema, das dein Album durchdringt, ist deine Vergangenheit im Berliner Bezirk Wedding. Wie erinnerst du dich an deine Kindheit?

Ich hatte – in Anführungsstrichen – eine ganz normale Kindheit, wie man sich das eben so vorstellt. Ich habe ganz mit Gleichaltrigen rumgehangen und wir haben einige spannende Situationen erlebt. Viele lustige Sachen, aber auch einschneidende Momente, die mich geprägt haben. Ich habe meine Kindheit aber sehr schön in Erinnerung. Wir waren viele Freunde auf engem Raum. Man muss sich vorstellen, dass auf unserer Straße gut 500 Personen wohnten und von denen kannte man bestimmt 350. Dadurch konnten wir uns in der Gegend komplett frei bewegen.

Wohnst du noch im Viertel?

Nein, inzwischen wohne ich außerhalb, ein bisschen weiter am Rand. Aber ich bin bis heute jeden zweiten Tag im Wedding.

Hat sich durch den Wegzug eine neue Perspektive auf den Wedding eröffnet?

Für mich ist so eine Außensicht immer schwierig. Aber gerade durch die vielen Interviews habe ich mich natürlich nochmal viel mit dem Thema beschäftigt und das wühlt mich auch auf. Erst jetzt kann ich mit etwas mehr Abstand auf meine Vergangenheit schauen. Es erfüllt mich mit Stolz aus dem Wedding zu kommen und ich werde ja immer wieder daran erinnert. Die Pankstraße ist ein Zentralpunkt im Bezirk und genau dort habe ich immer die riesige Wand vor Augen, die meinen Brüdern und mir gewidmet wurde. Das ist schon geil.

Viele haben dich zum ersten Mal durch die „Gewachsen auf Beton“-Kampagne von Nike wahrgenommen. Im Rahmen dieser wurde Jerome, Kevin Prince und dir ein riesiges Murial gewidmet. Was hat dir das bedeutet?

Bei der Kampagne ging es vor allem um meine Brüder. Ich war noch ein Puzzlestückchen, das dazupasst, da ich der älteste Bruder bin und auch mal Fußball gespielt habe. In erster Linie sehe ich die Aktion aber als Anerkennung der Leistungen meiner Brüder, die es aus dem Wedding und Wilmersdorf in die große weite Welt geschafft haben – hoch bis zu Jay Z. Es ist für uns einfach super viel wert, wenn die dann einfach so ein Bild an die Wand klatschen, das den Leuten eben zeigt, dass man auf meine Brüder stolz sein kann. Und ich bin doch gerne Bruder, wenn die mich da mit reinnehmen. (lacht)

Markierte die Aktion für dich den Punkt, um die Musik ernst zu nehmen, um auch eine Vorbildfunktion einzunehmen?

Klar, ich sehe mein Gesicht da oben an dieser Wand fast jeden Tag und habe mich gefragt, was suchst du da oben eigentlich? So viel habe ich ja nicht dazu beigetragen. Das gab mir den letzten Kick, zu sagen, dass ich auch etwas starten möchte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Der Song „Gewachsen auf Beton“ stand schon sehr früh und für mich war klar, dass der eine Single werden muss. Allein der Titel lässt sich so breitflächig aufstellen. Fast jeder ist „gewachsen auf Beton“. Das muss auch nicht heißen, dass du hart bist und mit Messer rumrennst. Auf diesem Motiv wollte ich das Album aufbauen.

Was hat bei dir überhaupt den Ausschlag geben, mit dem Rappen anzufangen?

Für mich kam einfach ein Punkt, an dem meine Geschichten rausmussten. Das war sicherlich von keinem Rapper oder einer Szene abhängig. Dazu muss man aber auch sagen, dass sich Deutschrap in den letzten Jahren immens verändert hat. Vor zehn, elf Jahren gab es nur drei, vier krasse Typen, von denen man behaupten kann, dass sie gute Rapper und Musiker waren. Heutzutage veröffentlichen eine Menge guter Leute viel gute Musik. Dieses Level musste ich auch erstmal erreichen, um meinem Anspruch an mich selbst gerecht zu werden und um mithalten zu können. Geschichten habe ich viele, aber das allein reicht heute nicht mehr. Aber jetzt bin ich bereit.

Du hast für dein Alter auch erst relativ spät angefangen zu rappen.

Im Vergleich mit dem Rest der Szene bin ich wirklich ein Spätentwickler. In meinem Fall bin ich darüber gar nicht traurig. Viele Kollegen stehen heute nicht mehr hinter dem Sound, den sie früher gemacht haben. Ich habe inzwischen ein gewisses Alter erreicht, in dem ich genau weiß, was ich vermitteln will. In die Szene bin ich dann über einen Kollegen reingerutscht, der mich immer wieder mitgenommen hat und mich Leuten vorgestellt hat. Er hat mir die Türen geöffnet, an mir lag es, daraus etwas zu machen. So kam eines zum anderen. Ich bin ein umgänglicher Typ und kann den Leuten schnell vermitteln wofür ich stehe. Du merkst ja auch nach spätestens einer halben Stunde, ob jemand ein Lappen oder cool ist.

Auf dem Track „Schattenbruder“ erzählst du deine Perspektive auf die steilen Karrieren deiner beiden Brüder. Wie war es für dich als Ältester, als die jüngeren Geschwister durchstarteten und du weiter den normalen Alltag meistern musstest?

Was heißt der „normale Alltag“? Man muss realistisch bleiben, wir sind als Sozialkinder aufgewachsen. Meine Eltern waren damals Sozialhilfeempfänger und wir mussten mit Wertscheinen einkaufen gehen. Sowas kennen die wenigsten Leute. Da waren dann vielleicht 500 D-Mark drauf und du konntest ihn nur einmal benutzen. Da musste man ganz genau schauen, was man kauft und sich leisten kann. Meine Brüder spielen heute in einer außergewöhnlichen Liga, in die viele gerne aufsteigen würden. Ich könnte ja sieben Tage die Woche mit ihnen abhängen und High Life leben. Manchmal mache ich das, das ist Urlaub für mich. Aber im Alltag bin froh darüber, dass es mir im Vergleich zur damaligen Zeit um 100% besser geht. Die Ausgangsposition ist heute eine ganz andere. Jetzt kann ich mich darauf besinnen, was wichtig ist – und Geld ist nicht alles.

Kannst du die beiden denn bis heute auch als älterer Bruder unterstützen?

Klar, die Erfahrung die ich habe, kann man sich ja nicht kaufen. Das ist meine Stärke und das ist für die beiden auch gut. Sie können mich in jeder Situation anrufen und ich kann ihnen meine Meinung sagen – egal ob das ein Rat oder auch mal ein Rüffel ist.

Für den Sound deines Albums hast du mit Beatzarre und Djorkaeff zusammengearbeitet. Die Connection überrascht erstmal.

Mein A&R von Warner hat mir direkt vier, fünf Produzenten vorgeschlagen und als deren Namen fielen, wollte ich mich auf jeden Fall mit ihnen als erstes treffen. Kein Hate gegen andere, aber die beiden sind Berliner und jeder weiß, dass sie richtig gute Jungs sind. Zwischen uns hat es direkt menschlich und musikalisch funktioniert.

Die beiden waren Wegbegleiter für den Aggro-Berlin- und Straßenrap-Sound vor gut zehn Jahren. War das eine Inspiration für dich?

Ich bitte dich, nein, Aggro war sicher keine Inspiration für mich. Die sind cool, haben damals gerockt und uns die Plattform, die wir heute haben, ermöglicht. No hate, Aggro war krass, aber das ist keine Orientierung für mich. Auf meinem Album hört man andere Töne, die über den Aggro- und Berlin-Film hinausgehen. Aber ich gebe dir recht, ein Track wie „Schattenbruder“ hat einen Touch, den auch die alten Bushido-Songs hatten. Dazu stehe ich auch, das habe ich damals ja auch gefeiert. Und bei Djorkaeff und Beatzarre ist es ja logisch, dass der Sound in einer ähnlichen Art und Weise wie damals rauskommt. Ganz Deutschland soll das Album feiern, aber den gewissen Berlin-Flair will ich natürlich drinhaben.

Neben den eher aggressiven Singles finden sich viele melancholische Songs auf deinem Album. War dir diese Vielseitigkeit wichtig?

Ich bin da nach Gefühl gegangen. Wenn ich die ganze Zeit Bock gehabt hätte, Leuten aufs Maul zu hauen, hätten die Songs auch sicher danach geklungen. So habe ich es aber ganz gut getroffen, denke ich. Ich habe versucht mein persönliches Spektrum von der Jugend bis heute abzubilden und diese Themen finden sich jetzt auf dem Album. Das kann ein Song sein, auf dem es darum geht, wie man mit seinen Jungs Auto fährt, auf hart macht und auf alles scheißt, aber natürlich sind auch Songs zum Nachdenken entstanden.

Wie planst du nun deine Zukunft. Siehst du dich in Zukunft als Vollzeit-Rapper?

Ich würde am liebsten direkt weiter machen. Aber ich darf auch nichts überstürzen. Das ist mein erstes Album und das will ich erstmal wirken lassen. Ausruhen oder einschlafen werde ich sicherlich nicht. Trotzdem ist das für mich nicht unbedingt ein Beruf, sondern ein Hobby, dass ich Dank der Unterstützung meines Labels ausleben kann. Ich habe noch so viel in mir drin und zu erzählen, dass es auf jeden Fall für mindestens ein weiteres Album reicht.

Letztens habe ich mit deinem Bruder Jerome gesprochen und ihn auf dich angesprochen. Er schließt es ja aus, aber bekommst du ihn vielleicht noch zum rappen?

Sag niemals nie! Ausschließen sollte man sowieso nichts. Vielleicht rappt er ja irgendwann mal einen Part und alle denken, dass ich das bin. (lacht)

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